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# 12 Festhalten

„Hallo?!“
Immer noch mit der Hand in Sonnenschirmfunktion über den Augen bewege ich mich weiter vorwärts. Die Gestalt auf dem unförmigen Stein rührt sich. Ein paar Schritte näher und es besteht kein Zweifel mehr: Dort sitzt ein Mensch und er hat den Kopf zu mir gedreht.
Durch die tiefstehende Sonne kann ich allerdings nicht mehr als seine Umrisse erkennen.
„Hallo?!“, rufe ich noch einmal.
„Hallo.“, kommt es in wesentlich ruhigerer Tonlage zurück.
Perplex lasse ich die Hand sinken, was zur Folge hat, dass meine Augenlider sich ruckartig zusammenkrampfen, da die Sonne ungehemmt auf meine Pupillen trifft. Ich brauche den Mann vor mir aber auch nicht zu sehen, um zu wissen, wer er ist.
„Max?“, fragt mein Mund dennoch rhetorisch. „Was tust du denn hier?“
Der Angesprochene steht auf, wobei er seine Lampe nicht aus der Hand gibt, und geht auf mich zu. Ich drehe mich mit dem Rücken zur Sonne, damit ich ihn endlich sehen kann, und er antizipiert meinen Richtungswechsel in seinen Bewegungen.
Dann stehen wir voreinander und ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Ist es noch immer das Meer, das so laut rauscht, oder ist es doch das Blut in meinen Ohren?

Max lächelt und zieht dabei die Schultern etwas nach oben, wie er es immer tut. Die kleinen Grübchen in seinen Wangen sind mir mehr als vertraut, die zwei grauen Haare in seinem Bart dagegen sind neu für mich.
Die Zeit vergeht so schnell.
Ohne großartig darüber nachzudenken, strecke ich die Arme aus und drücke Max fest an mich. Sein Körper versteift im ersten Moment, doch dann legt auch er seine Arme locker um mich. Ich halte ihn einen Ticken zu lange fest, das weiß ich schon, bevor ich ihn loslasse. Mich von Max zu lösen, ist mir schon immer schwergefallen.
„Willst du dich zu mir setzen?“, fragt er. Ich nicke.
Auf dem unförmigen Stein liegt eine rote Decke. Wir nehmen auf ihr Platz und schauen beide still auf das Meer hinaus. Unwillkürlich greift meine Hand nach der seinen, die neben seinem Oberschenkel auf der Decke liegt. Er lässt es zu.
Ohne mich anzusehen, den Blick weiter auf das Meer hinaus gerichtet, sagt er: „Das ist nicht fair von dir.“
Ich nicke. „Ich weiß.“
Dabei sehe ich den Dampfwolken zu, die meine Worte in die kalte Winterluft zeichnen. Seine Hand lasse ich nicht los.

2 Antworten auf „# 12 Festhalten“

Wieder so schön und auch liebevoll geschrieben. Toll machst du das, nur muss ich jetzt wieder warten, um zu erfahren wer Max ist. Auf jeden Fall freue ich mich schon auf Part 13…aber bitte nicht zuuu lange ok 😉🤗

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