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# 4 Rollenbilder

Ich bin selbst darüber verwundert, dass ich noch nicht komplett durchgedreht bin. Was ich ganz deutlich empfinde, ist, dass ich gerade eine Grenze überschritten habe. Ich fühle mich widerlich.
Nicht nur, dass ich aus einer warmen, sicheren und ruhigen Umgebung in einen kühlen, dunklen und schier endlosen Gang gedrückt wurde. Das Ganze dazu auch noch nahezu ungeschützt.
Nein, viel schlimmer ist, dass ich mich in eine Rolle gedrängt fühle, die ich nicht einnehmen will. Eine Rolle, die andere mir gegenüber einnahmen und die sie genossen haben. Anders als ich. Ich bin nicht wie sie. Aber ich weiß, dass es jetzt kein Zurück mehr gibt.
Als ich näher an die Wände des Tunnels trete, erkenne ich, dass Wasser an ihnen hinabläuft. Die ganze Mauer gleicht einem klaren, lautlosen Wasserfall. Sofort muss ich an den kleinen Wohnzimmerbrunnen meiner Großmutter denken. Als Kind hatte ich ihn stundenlang beobachtet und doch jedes Mal einen Klaps auf die Finger bekommen, wenn ich es wagte, den Wasserfluss mit meiner Hand zu stoppen. Ich grinse und strecke meinen gesamten Unterarm ins Wasser.

Zwischen Wand und Boden scheint sich ein winziger Spalt zu befinden, in den die Flüssigkeit abläuft. Sorgfältig lege ich meine Klamotten mittig des Ganges auf den Boden und wasche mir den Schleim von meiner kühlen Haut. Meine letzte Dusche ist schon eine ganze Zeit her und ich muss zugeben, dass das lauwarme Wasser mit guttut. Auch wenn einige meiner Wunden an den Unterarmen bei Kontakt brennen. Schlussendlich lehne ich mich sogar mit dem Rücken an die Mauer und lasse das Wasser über meinen Kopf laufen. Dann drücke ich – sogfältig darauf bedacht, den Boden nicht nass zu machen – meine langen Haare aus und sehe in mein rotes Stimmenlicht, das noch immer schräg über mir in der Luft schwebt. Ich versuche, mich an seinem Licht zu wärmen und dabei vielleicht ein bisschen zu trocknen. Es fühlt sich nicht mehr so wohltuend an wie in dem roten Babybauch-Ballon-Zimmer zuvor, aber dennoch tut es mir gut.
Ich greife nach meinen Klamotten und streife sie mir über. Sofort fühle ich mich weniger ausgeliefert. Ich bin noch nicht ganz trocken und meine feuchten Haare durchnässen den Rücken meines Shirts. Eine feine Gänsehaut überzieht meinen Körper.
Es ist nicht ideal, aber es ist besser. Daran muss ich mich festhalten, wenn ich in dieser absolut surrealen Situation nicht wahnsinnig werden will. Noch immer fehlt mir die Wärme der roten Wände und des schimmernden Bodens und ich beschließe, dass ich weitergehen muss, wenn ich nicht auskühlen will.

„Kommst du mit?“, frage ich mein Stimmenlicht. Vielleicht ist es nur Einbildung, aber es sieht fast so aus, als würde die rote Kugel bestätigend vor- und zurückwippen. Und so machen wir uns auf den Weg in das unbekannte Dunkel des Tunnels.

2 Antworten auf „# 4 Rollenbilder“

Ich bin ganz froh, dass die Hauptperson nicht alleine ist, sondern einen kleinen Begleiter hat. Weiß echt nicht, was ich tun würde in dieser Situation.

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