Kategorien
Blog

# 7 Der Ring

Meine Füße können gar nicht so schnell laufen, wie mein Kopf rennen möchte. Ich hechte durch die rote Tür – raus aus dem Spiegelkabinett.
Umdrehen tue ich mich nur noch einmal, um die Tür ins Schloss zu ziehen.
Dann stehe ich wieder im Tunnel. Das Wasser fließt noch immer gleichmäßig von den Wänden und ein kühler Luftzug lässt mich frösteln. Mein Blick fällt auf mein Stimmenlicht, das über mir schwebt.
„Ich hätte dich da drinnen gebrauchen können…“
Als Antwort erhalte ich nur ein leichtes, rotes Flackern.

Ich blicke zu Boden, sehe meine Füße. Versuche die Bilder meiner zerfetzten Fußsohlen aus dem Kopf zu bekommen. Wie kann etwas gleichzeitig passiert und nicht passiert sein?
Mein Atem beruhigt sich und ich spüre, wie sich die kühle, feuchte Luft wohltuend auf meine Schleimhäute legt und mein erhitztes Gesicht abkühlt. Was auch immer da drinnen passiert ist, es ist vorbei.
Kurz blitzt der Gedanke in mir auf, dass es einen Grund gab, dass sich die Tür geöffnet hat. Doch ich entscheide mich für Verdrängen statt Analysieren.

Plötzlich reißt mich ein Geräusch aus meinen Gedanken, welches ich anfänglich überhaupt nicht einordnen kann. Nicht, weil ich es nicht erkenne, sondern weil es mir absolut unmöglich erscheint, es hier zu hören. Jemand hustet.
Mein Kopf fährt hoch und meine Augen suchen den Tunnel nach Bewegungen ab. Näher als das Husten zuvor, dringt eine unsichere, leise Stimme an mein Ohr.
„Hinter dir.“
Ich drehe mich um und sehe einen Mann auf mich zukommen. Seine Schritte sind zögerlich und sein Gesicht ist mir vertrauter als mein eigenes. Innerhalb von Millisekunden trocknet mein Mund aus. Meine Hände ballen sich zu Fäusten, als wäre ein Automatismus in mir ausgelöst worden.
Die Falten um seine Augen sind neu, genauso wie der goldene Ehering an seinem linken Ringfinger.
„Was willst du hier?!“
Mein Mund spuckt die einzelnen Worte aus wie versehentlich eingeatmeten Dreck. Mein Stimmenlicht flackert bedrohlich.
Die Unsicherheit seines Ganges überträgt sich nun auf seine Mimik. Die blauen Augen bekommen einen flehenden Ausdruck, der die neuen Falten verstärkt.
Er hebt beschwichtigend die rechte Hand. Die linke verschwindet mit dem Ring hinter seinem Rücken.
„Ich wollte dich nicht erschrecken.“
„Das beantwortet nicht meine Frage.“
Seine rechte Hand bewegt sich in seinen Nacken und knetet die angespannte Muskulatur. Wie immer, wenn er nicht weiter weiß.
„Du bist jetzt nicht mehr allein, Süße.“

LÜGNER.

Eine Antwort auf „# 7 Der Ring“

Ich habe das Gefühl, dass sich dein Stil, deine Schreibkunst von Tag zu Tag verbessert. Der Text ist 100 Prozent professionell, 100 Prozent Athmosphäre, 100 Prozent gut. Und ich fand ihn sehr spannend. Ich freue mich auf den nächsten Besuch im Tunnel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert